„Öteki“ – Das „Andere“: Nationalisierende und identitätsstiftende Diskurse in der zeitgenössischen Kunst der Türkei

PROJECTOUTLINE

CANAN, Şeffaf Karakol/Transparent Police Station, 2008 [1998],

installation view from the exhibition Envy, Enmity, Embarrassment (2013) in Arter Istanbul, acrylic glass and digital print on acetate, 186.5 x 111 x 15.5 cm, Ömer Koç Collection, photo by Murat Germen, by Courtesy of Arter.

In der 95-jährigen Geschichte der Republik Türkei führten das politische Ignorieren der multikulturellen Vielfalt und das Vermeiden einer kritischen Auseinandersetzung mit geschichtlichen Ereignissen zu einer homogenisierenden und nationalisierenden Geschichtsschreibung. Kunst ist dabei immer ein effektives strategisches Mittel, welches durch die staatliche Politik kontrolliert wird. Ab den 1990er-Jahren traten die Wörter Ötekileştirme Politikaları [zum Anderen machende Politik] und Öteki [das Andere] in den öffentlichen Debatten in der Türkei vermehrt auf, die die Themen wie Identität, Ethnizität und Nationalität auch in der Kunstszene in den Vordergrund rückten.

Anhand einer kritischen Analyse der Kulturpolitik und der öffentlichen zeitgenössischen Kunstausstellungen seit den 2000er-Jahren untersucht dieses Dissertationsprojekt, wie die nationalistische Auffassung von Geschichte anhand von Kunst umgeschrieben wird und dabei neue Erzählungen vorgeschlagen werden, die der Diversität und Pluralität der heutigen Gesellschaft neue Räume ermöglichen können. Dieses Dissertationsprojekt zielt ab, die Rolle des Ausstellungsraums in den vielschichtigen Wechselbeziehungen zwischen Staat, Politik und Kunst durchzuleuchten und die Umwandlungskraft der Kunst als eine alternative Ausdrucksform zu erforschen. Ich argumentiere, dass die zeitgenössischen Kunstausstellungen ein Potenzial zur Transformation geschichtlicher Narrative bergen, in dem in den Werken mittels unterschiedlicher künstlerischer Strategien Darstellungen gesellschaftlicher Widerstände präsentiert werden.

Kunst ist dabei immer ein effektives strategisches Mittel, welches durch die staatliche Politik kontrolliert wird.

Hale Tenger, I know people like this II (detail view),

 1992, cast brass priapos and three-monkey statuettes, 700 x 9 x 140 cm, courtesy of the artist and Green Art Gallery, Dubai

Die Forschung über die zeitgenössische Kunst aus der Türkei, einem Land das von östlichen wie westlichen Traditionen geprägt ist, in Verbindung mit Politik und der gesellschaftlichen Lage des Landes, bedarf einer interdisziplinären Perspektive, die sich Theorien und Methoden der Kunstgeschichte, Cultural Studies, Gender Studies und der Soziologie bedient. Somit erstrebt dieses Projekt nicht nur eine große wissenschaftliche Lücke im wenig erforschten Feld der zeitgenössischen Kunst der Türkei zu füllen, was besonders seit 2016 unter extrem verminderter akademischer Freiheit in der Türkei nicht mehr durchzuführen wäre. Sondern es zielt mit seiner global äußerst zeitgerechten Fragestellung und seinem wissenschaftlich fortschrittlichen Arbeitsansatz darauf ab, einen fachübergreifenden und transnationalen Beitrag im internationalen Diskurs zur globalen Kunstgeschichte und zu Gender Studies zu leisten.

seinem wissenschaftlich fortschrittlichen Arbeitsansatz darauf ab, einen fachübergreifenden und transnationalen Beitrag im internationalen Diskurs zur globalen Kunstgeschichte und zu Gender Studies zu leisten.

REFERENCES

  1. Foucault, Michel. 2005. Die Heterotopien: Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

     

  2. Foucault, Michel. (1977) 2017. Überwachen und Strafen: die Geburt des Gefängnisses. Serie: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 184. 20. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

     

  3. Shaw, Wendy M. K. 2003. Possessors and Possessed: Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Ottoman Empire. Berkeley: University of California Press.

     

  4. Shaw, Wendy M. K. 2004. Osmanlı Müzeleri. [Ottoman Museums]. Istanbul: İletişim Yayınları.

  5. Şeni, Nora. 2011. İstanbul‘da Özel Kültür Politikası ve Kentsel Alan [Private Kulturpolitik und öffentlicher Raum in Istanbul]. Buchreihe İstanbul Kültür Mirası ve Kültür Ekonomisi [Kulturerbe und Kulturökonomie von Istanbul]. Istanbul: İstanbul Bilgi Üniversitesi Yayınları.

BIO

lic. phil. Ayşe Zeynep Pamuk Suleri

lic. phil. Ayşe Zeynep Pamuk Suleri holds a B.A and M.A in History of Art from the University of Zurich. She is currently a doctoral student at the Institute of Asian and Oriental Studies of the University of Zurich in the doctoral program Gender Studies with a major focus in History of Art. Her research interests include contemporary art, cultural politics, visual culture, cultural anthropology, minority cultures with a regional concentration on Turkey.

Zeynep’s dissertation project “Öteki” – The “Other”: Nationalism and Identity Discourses in the Contemporary Art in Turkey (working title), examines contemporary art exhibitions in museums since 2000s in Turkey and aims to explore the transformative and interactive role of the museum amidst complex interrelations between art, politics, and the state. The project is being funded by Forschungskredit Candoc of the University of Zurich between 2019 and 2021.

SELECTEDPUBLICATIONS

  1. Ayşe Zeynep Pamuk Suleri. „Haset, Husumet, Rezalet/Envy, Enmity, Embarrassment. Künstlerische Reflexionen politischer und gesellschaftlicher Vorgänge in der zeitgenössischen Kunst der Türkei“, in: Türkeiforschung im deutschsprachigen Raum V. Umbrüche – Krisen – Widerstände, by TürkeiEuropaZentrum/Network Turkey and University of Hamburg, Berlin (forthcoming 2020).